Zeitenwende in der Sicherheitspolitik – Deutschlands Weg in eine neue Ordnung;

Mehr Verständnis für Sicherheitspolitik Rezension von Peter E. Uhde

Zeitenwende in der Sicherheitspolitik – Deutschlands Weg in eine neue Ordnung; Eine Publikation der Friedrich-Ebert-Stiftung, Hrsg. Ringo Wagner I Hans-Joachim Schaprian, 2022, ISBN: 978-3-98628-152-6.

Bundeskanzler Olaf Scholz hatte am 27. Februar 2022 in seiner Rede im Deutschen Bundestag den Begriff Zeitenwende verwendet. Seither ist dieser aus den Themenfeldern der Sicherheits- und Verteidigungspolitik oder der Landes- und Bündnisverteidigung, nicht mehr wegzudenken. Die Herausgeber von „Zeitenwende in der Sicherheitspolitik – Deutschlands Weg in eine neue Ordnung“ haben diesen in dem vorliegenden Sammelband auch verwendet. Es gibt in der Ausgabe kaum einen Beitrag, angefangen beim Grußwort des Bundeskanzlers, über das Vorwort der Herausgeber bis hin zu den 19 Beiträgen, in denen Zeitenwende nicht in irgendeinem Zusammenhang vorkommt. Ob es an allen verwendeten Stellen immer angebracht ist, darüber kann man geteilter Meinung sein. Nun zu den Themen, mit denen sich die Autoren befassen.

Der Parteivorsitzende der Sozialdemokratischen Partei Lars Klingbeil ist mit dem Beitrag aufgenommen worden, den er auf der Tiergartenkonferenz am 21. Juli 2022 gehalten hat. „Friedenspolitik gründet auf eigener Stärke“ oder „Friedenspolitik bedeutet für mich, auch militärische Gewalt als ein legitimes Mittel der Politik zusehen“ ist hier zu lesen. Feststellungen, die bisher so nicht von einem SPD-Vorsitzenden kommuniziert wurden. Seinem Fazit „Das Alte ist nicht mehr, das Neue ist noch nicht“, kann man zustimmen.

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg schreibt in seinem Beitrag über die Zukunft des Atlantischen Bündnisses und behandelt dessen strategisches Konzept von 2022 sowie die Reaktionen der NATO nach dem Angriff Russland auf die Ukraine. Er sieht in der NATO ein Rückgrat des Friedens und der Stabilität im euro-atlantischen Raum. Seine Forderung nach mehr Engagement der Mitgliedsstaaten für ihre eigene Sicherheit, bringt er deutlich zum Ausdruck.

Die Vizepräsidentin des Europäischen Parlaments Katarina Barley geht in ihren Ausführungen auf die Grundlage der Friedens- und Sicherheitspolitik der Europäischen Union ein. Mit dem Strategischen Kompass, dem Strategiedokument der Organisation, das von den 27 Mitgliedsstaaten angenommen wurde, verfügt die EU ihrer Meinung nach eine Vision und klare politische Ziele. Diese müssen aber auch in die Tat umgesetzt werden. Ob die Taten dann konfliktlos umgesetzt werden, wenn dafür Finanzmittel und Einstimmigkeit erforderlich sind, bleibt abzuwarten. Der russische Angriff gegen die Ukraine lässt dies hoffen. Bei den Wirtschaftssanktionen war man nicht immer einer Meinung.

Die seit dem Sylvester-Video in die Kritik geratene Verteidigungsministerin Christine Lambrecht geht auf Deutschlands Verantwortung für Europa und die Welt ein. SPD-Granden wie Kurt Schumacher, Carlo Schmid, Willy Brandt oder Helmut Schmidt werden mit Aussagen zur Sicherheitspolitik zitiert. Für die Feststellung „Vorausschauende Sicherheit ist eine Frage der Generationengerechtigkeit“, führt sie drei Punkte auf. Die Bundeswehr muss aus den Fehlern der Vergangenheit lernen und sie muss „kaltstartfähig“ werden. Zum anderen müssen die großen systemischen Konflikte der Zukunft schon heute „auf dem Schirm“ und letztlich eine „atomwaffenfreie Welt“ das Ziel sein.

Auf die Zusammenhänge von Sicherheit und Entwicklungspolitik geht Svenja Schulze ein. Nach Meinung der Bundesministerin für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung müssen die zivilen Wege der Konfliktbewältigung und Krisenprävention verstärkt werden. Für den Wiederaufbau der Ukraine ist ein Sofortprogramm notwendig. Als dieser Text geschrieben wurde, konnte auch sie nicht ahnen, dass der Krieg nun schon im elften Monat stattfindet und für den Aufbau der zerstörten Infrastruktur hunderte Milliarden erforderlich sein werden.

Als letzter der Autoren aus der Politik kommt Wolfgang Helmich zu Wort. Im jetzigen Bundestag ist er Verteidigungspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, vorher war er Vorsitzender des Verteidigungsausschusses. Er listet die Mängel der Bundeswehr auf und fordert eine Rekonstitution der „wehrhaften Demokratie“. „Si vis pacem para bellum“ – wenn du Frieden willst, rüste zum Krieg. Der Ausspruch des Römers Marcus Tullius Cicero 106 bis 43 v.Chr.) hat den Streitkräften bisher nicht geholfen.

Weitere Autoren in der Textsammlung sind Johannes Varwick, Vorgänger des jetzigen Präsidenten der Gesellschaft für Sicherheitspolitik Hans-Peter Bartels. Während Varwick sich mit den Aspekten einer zukünftigen Nationalen Sicherheitsstrategie befasst, widmet sich Bartels dem Zustand der Streitkräfte. Diesen kennt er aus seiner Zeit als Wehrbeauftragter von 2015 bis 2020 bestens.

Nachfolgende Themen des Bandes sind Künstliche Intelligenz (Autor: Ansgar Rieks, Generalleutnant, Stellvertretender Inspekteur der Luftwaffe), Landes- und Bündnisverteidigung (Markus Laubenthal, Generalleutnant, Stellvertretender Generalinspekteur), die Sicherheits- und Verteidigungsindustrie (Christoph Atzpodien, Hauptgeschäftsführer Bundesverband der Deutschen Sicherheits- und Verteidigungsindustrie), Nukleare Abschreckung (Helmut Ganser, Brigadegeneral a.D.), Zeitenwende und Kampfmoral (Marcel Bohnert, Oberstleutnant i.G., Stellvertretender Vorsitzender des Deutschen BundeswehrVerband), Innere Sicherheit und Schutz kritischer Infrastrukturen (Joachim Herrmann, Bayerischer Staatsminister des Inneren, für Sport und Integration) und Katastrophen, Krisen Krieg - Neustart im Bevölkerungsschutz (Wolfram Geiger, Abteilungspräsident im Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe).

Das vorliegende Buch ergänzt die Reihe der Friedrich-Ebert-Stiftung: „Komplexe Krisen – aktive Verantwortung: Magdeburger Gespräche zur Friedens- und Sicherheitspolitik“ (2016), „Handlungsfähigkeit stärken – Stabilität schaffen. Überlegungen zur Europäischen Sicherheits- und Verteidigungsunion“ (2018) und „Die Allianz im Umbruch. Änderungen in Strukturen, Prozessen und Strategien“ (2020). Wie diese Bände ist nun auch der vorliegende eine gute Grundlage zur Information über die aktuellen nationalen und internationalen sicherheitspolitischen Herausforderungen. Die vom Bundekanzler ausgerufene Zeitenwende in der Sicherheitspolitik steht erst am Anfang. Ihre Auswirkungen sind nicht nur in Deutschland spürbar. So wie den Klimawandel halten sie keine Grenzen auf.   

 Zeitenwende in der Sicherheitspolitik – Deutschlands Weg in eine neue Ordnung; Eine Publikation der Friedrich-Ebert-Stiftung, Hrsg. Ringo Wagner I Hans-Joachim Schaprian, 2022, ISBN: 978-3-98628-152-6.

Die pdf des Buches können Sie herunterladen: Zeitenwende in der Sicherheitspolitik - Deutschlands Weg in eine neue Ordnung (fes.de)

 

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