Am 31. August 1994 wurden die letzten Angehörigen der russischen Streitkräfte mit einem Festakt im Berliner Schauspielhaus und einem militärischen Zeremoniell am sowjetischen Ehrenmal im Treptower Park verabschiedet. Von Kriegsende im Mai 1945 waren sowjetische Soldaten auf deutschem Boden stationiert. Nun ging eine fast sechzigjährige Epoche zu Ende
Im Monat der Wiedervereinigung Deutschlands, Oktober 1990, umfasste die Westgruppe der Truppen (WGT) in der ehemaligen DDR rund 338.000 Soldaten, 45.000 Zivilbeschäftigte und 164.000 Familienangehörige. Also mehr als eine halbe Million Menschen, vom Neugeborenen bis zum Oberbefehlshaber.
An Kampftechnik waren vorhanden: Panzer (4.116), gepanzerte Fahrzeuge (10.225), Artilleriegeschütze/Mörser (3.578), Flugzeuge (623) und Hubschrauber (717). Hinzu kamen rund 92.000 Kraftfahrzeuge/Kettenfahrzeuge, zwei Millionen Tonnen Material und 677.000 Tonnen Munition aller Art.
Die Stäbe der fünf Armeen mit 20 Divisionen waren in Dresden (1. Garde-Panzerarmee), Fürstenberg (2. Garde-Panzerarmee), Nohra (3. Armee), Eberswalde/Finow (8. Armee) und Wünsdorf (16. Luftarmee) stationiert. Hier, im südlich von Berlin gelegenen Wünsdorf, hatte auch das Oberkommando seinen Sitz. Es wurde seit dem 13. Dezember 1990 von Generaloberst Matwej Burlakow geführt. Die Truppen waren über das gesamte Gebiet der DDR in 1.550 Liegenschaften stationiert. Die genutzte Landfläche einschließlich der Truppenübungsplätze betrug rund 2.900 Quadratkilometer. Das ist mehr als die Fläche des Saarlandes (2.570). Die höchste Stationierungsdichte wies das Band Brandenburg auf. In der Dresdner KGB-Residentur war Wladimir Putin, der heutige Präsident der Russischen Föderation, tätig. Er war 1989 Oberstleutnant und wurde Anfang 1990 nach Moskau zurückbeordert.
Seit dem 12. Oktober 1990 ist der „Vertrag zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken über die Bedingungen des befristeten Aufenthalts und die Modalitäten des Abzugs sowjetischer Truppen auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland“ in Kraft. Darin wurde der Abzug der Truppen und der Abtransport des Materials bis zum 31. Dezember 1994 festgelegt. Mit der Einrichtung eines Verbindungskommandos in Strausberg unter der Leitung von Generalmajor Hartmut Foertsch stand der WGT ein Ansprechpartner für alle Abzugsfragen zur Verfügung. Diesem Kommando gehörten zahlreiche russischsprachige ehemalige NVA-Offiziere an. Im Dezember 1992 besuchte Bundeskanzler Helmut Kohl den Präsidenten der Russischen Föderation, Boris N. Jelzin. Dabei machte der Bundeskanzler finanzielle Zusagen, unter anderem für humanitäre Entschädigungsleistungen für NS-Unrecht.
Die Aussiedlung begann von den Standorten des WGT von West nach Ost. Der Personentransport erfolgte überwiegend auf dem Luftweg. Das Material wurde zu zwei Dritteln über die Ostseehäfen Mukran (Rügen), Rostock und Wismar abtransportiert, ein Drittel mit der Bahn über Polen und die Tschechische Republik. Aufnahmeländer der Repatriierten waren vor allem Russland, gefolgt von der Ukraine und Weißrussland. Eine besondere Schwierigkeit bei der Rückführung stellte die atomare Munition dar. Diese wurde bis zum 24. Juni 1991 per Bahntransport in Spezialwaggons auf Fähren von Mukran nach Klaipeda (Memel) und von dort auf das Gebiet der Union der Sozialistischen Sowjetrepubliken verbracht.
Die Bundesrepublik finanzierte den Bau von 36.000 Wohnungen für 7,8 Milliarden Mark. Im Oktober 1996 war das Bauprogramm mit 45.000 fertiggestellten Wohnungen abgeschlossen. Hinzu kam ein Ausbildungsprogramm für Offiziere zur Eingliederung in zivile Berufe. Der Unterhalt der Truppen in Deutschland und die Kosten für die Rückführung beliefen sich auf vier Milliarden Mark.
Am 1. Juli 1991 wurde der am 14. Mai 1955 geschlossene „Vertrag über Freundschaft, Zusammenarbeit und gegenseitigen Beistand“ aufgelöst. Dies bedeutete den Abzug der sowjetischen Streitkräfte aus Polen (Nordgruppe), Ungarn (Südgruppe) und der Tschechoslowakei (Zentralgruppe). Bis Ende 1994 kehrten rund 270.000 Soldaten, Zivilbedienstete und ihre Familien mit Waffen und Material in ihre Heimatländer zurück. Die Probleme für die Rückkehrer in die zerfallende UdSSR, die einst als Sieger und später als „Freunde“ jenseits der Landesgrenzen gelebt hatten, waren groß.
Am 31. August 1994 kam Präsident Boris Jelzin nach Berlin. Auf dem Gendarmenmarkt nahm er die Botschaft des Oberbefehlshabers Burlakow entgegen. Nach dem Festakt im Schauspielhaus begaben sich der Präsident und der Bundeskanzler zum Sowjetischen Ehrenmal im Stadtteil Treptow. Mit einer Kranzniederlegung gedenken sie der Toten des Zweiten Weltkrieges. Die Nationalhymnen erklangen. Eine Parade von Bundeswehr und WGT beschloss eine Epoche.
"Deutschland, wir reichen Dir die Hand und kehr'n zurück ins Vaterland, die Heimat ist empfangsbereit, wir bleiben Freunde allezeit". Proschtschaj Germania - lebe wohl Deutschland, ruft die abrückende „Berliner Brigade“ auf Russisch und Deutsch. Die Hoffnung, dass nun der ewige Friede in Europa einkehrt, erfüllte sich leider nicht.